Kinder statt Putzen

Menschen in der Schweiz leisten kaum weniger unbezahlte Arbeit als früher, aber andere: Kinder nehmen mehr Zeit in Anspruch.

Es ist eine Frage, die sich viele stellen. Wenn die durchschnittliche Arbeitszeit in europäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat: Warum zum Teufel spüre ich so wenig davon? Warum wird der Stapel an Unerledigtem gefühlt niemals kleiner? Vor allem wenn man kleine Kinder betreut oder pflegebedürftige Erwachsene?

Die Antwort auf diese Frage ist eine vielteilige. (Nicht nur, weil Wahrnehmung immer stark subjektiv verzerrt ist.) Zunächst haben die durchschnittlichen Wochenstunden an Erwerbsarbeit zwar im Durchschnitt abgenommen – aber nicht für jede Gruppe, wie hier schon im Auftakttext zum Thema Arbeitszeit beschrieben. Vor allem Frauen über 25 arbeiten heute durchschnittlich mehr Stunden gegen Entgelt als vor einer Generation.

Viel wichtiger aber ist dies: Will man aus Statistiken zur Arbeitszeit eine Erkenntnis zur Belastung von Menschen gewinnen (es gibt durchaus auch andere Erkenntnisziele), muss man zwingend auch die unbezahlte Arbeit miteinbeziehen – insbesondere die Haus- und Familienarbeit. Und die hat in den letzten rund hundert Jahren, anders als die Erwerbsarbeit, übers Ganze gesehen kaum abgenommen. Zu den möglichen Gründen gleich mehr.

Die wohl auffälligste Veränderung ist eine Verschiebung zwischen den Geschlechtern. Für Männer gilt bei der Hausarbeit, was für Frauen im Arbeitsmarkt gilt, wenn auch in deutlich geringerem Masse: Die wöchentlichen Arbeitsstunden haben zugenommen, von durchschnittlich 4 auf über 16 Stunden. Diejenigen der Frauen sind derweil von rund 42 auf rund 28 Stunden gesunken. Das zeigen etwa die Zahlen der Ökonomen Valerie Ramey und Neville Francis für die USA. Insgesamt blieb das Wochenpensum bei rund 22 Stunden fast gleich hoch.

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(02.04.2018)

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